Meine Nichte steht im Wald. Es ist ihr dritter Herbst auf der Welt, aber der erste, über den sie sich wundert. Die Sonne scheint goldgelb, die Luft ist erfüllt von Dudelsackgetöse. Vielleicht wird das für das Kind von nun an ein Herbstgeräusch sein, dabei verbringen dort in der Jugendherberge, an der wir gerade vorbeigehen, nur zufällig 20 Dudelsackfreunde ein Hobby-Wochenende. Ein infernalischer Lärm, der alles übertönt.
Was ist das?, fragt die Nichte, den Blick gen Himmel gerichtet. Über die Musik hat sie genug gestaunt, jetzt geht es um die Blätter. Sie kommen an wie geschneit, in großer Zahl und hohem Tempo. Die Blätter fallen von den Bäumen, sagen wir. Sie macht große Augen. Aber dann sind die Bäume alle!, sagt sie, und es klingt ernsthaft besorgt.
Ja, sagt ihre Mutter, aber das ist nicht schlimm. Das ist der Herbst. Und wenn die Bäume alle sind, dann ist Winter. Schweigen über dem schottischen Soundteppich. Und im Frühling, sagt die Mutter, wachsen neue Blätter an den Bäumen. Jedes Jahr wieder. Die Nichte guckt weiter nach oben. Lange und nachdenklich. Vorerst hat sie keine weiteren Fragen.
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