Ich habe einen neuen Menschen kennen gelernt. Also, richtig neu. Als ich ihn das erste Mal sah, vor drei Tagen, war er gerade 33 Stunden alt. Und so winzig, dass ich dachte: Nanu, wo ist er denn? Er lag, in eine Decke gewickelt, auf dem Bett. Mein jüngster Neffe. Jeder Mensch sollte hin und wieder einem Neugeborenen begegnen. Vor allem, wenn es nicht irgendein Neugeborenes ist, sondern der Sohn der eigenen Schwester. Das hilft, einen Moment rauszutreten aus den Selbstverständlichkeiten. Nichts ist selbstverständlich. Ein Leben fängt an. Das Leben, für diesen kleinen Menschen.
Er hat Glück gehabt, aber das weiß er natürlich noch nicht. Muss er auch nicht. Er darf es einfach erleben. Familie, Zuhause, Geborgenheit. Als seine große Schwester begreift, dass Oma und Opa erst später und dann ohne sie zum neuen Baby fahren, ist ihre Botschaft klar: Aber ihr dürft ihn nicht mitnehmen, das ist unser.
Er gehört dazu, von der ersten Minute an. Glückspilz mit winzigen Füßen. Irgendwann wird er große Füße haben, und er wird es mal anzweifeln, sein Glück. So in ungefähr 13 bis 14 Jahren wird er mit denen, zu denen er gehört, vermutlich auch mal hadern. So ist es eben. Aber wenn es gut läuft, höchstens phasenweise.
Ich bin im übrigen dafür, niemals damit aufzuhören, das Wundersame an einem Baby zu erwähnen. Selbst, wenn es seit Jahrtausenden gesagt wird. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine eigene Ergriffenheit. Und auf die gelegentliche Erkenntnis, dass auch das eigene Leben so angefangen hat. So wie das aller Menschen um einen herum – auch derjenigen, die einem Schwierigkeiten machen. Alle mal neu und winzig gewesen. Eine meiner Lieblingsvorstellungen.
Ich sehe meinen kleinen Neffen an. Seine Füße, Ohren, seinen Mund, seine Augen (kriegt er kaum auf bisher), seine Finger. Wundersam. Wir haben keine Ahnung, was aus ihm wird. Ich schätze aber: ein super Typ. Er hat eindeutig das Potenzial dazu. Das weiß ich, weil ich ja zufällig seine Eltern und Geschwister kenne.
Noch ein Kind, von dem ich künftig jede Verletzung und jede Enttäuschung fernhalten möchte. Das geht nicht, ich weiß. Aber man kann zumindest versuchen, ihn gut vorzubereiten auf das Leben. Damit er dann, wenn es richtig losgeht für ihn, gewappnet ist. Auch dafür, es zu genießen. Ich wünsche ihm, dass er es mögen wird, sein Leben. Und, bei passender Gelegenheit, sogar lieben.
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