Die Bike-Piraten. Meine Freunde. Die wissen gar nicht, wie sehr ich ihre kleine Trutzburg im Getose des Lebens schätze. Sie haben mir ein Fahrrad verkauft, nachdem mein altes geklaut worden war, und insgesamt zwei Fahrradkörbe, als der erste dann über Nacht von meinem neuen Fahrrad verschwand. Ich hab ihr Loblied schon gesungen, jetzt kommt die zweite Strophe.
Gerade erst hatte ein Freund an seinem Fahrrad einen Platten und kam nicht dazu, es zu reparieren. Bring es doch in die Werkstatt, sagte ich und dachte, er würde sich über diesen genialen Vorschlag freuen. Aber nein. Er sagte, die Werkstatt sei für ihn Tabu. Das ginge gegen seine männliche Reparatur-Ehre. Ob mir noch nicht aufgefallen sei, dass in solchen Läden nur Frauen ihre Fahrräder reparieren ließen. Hm. Nee.
Aber dann, vor ein paar Tagen: Morgens stand mein Fahrrad mit plattem Reifen und loser Kette im Keller. Den Reifen hatte ich voraus geahnt (Scherben auf dem Weg), und die Kette war vermutlich nachts aus Solidarität abgesprungen. Zwei Tage fuhr ich mit der U-Bahn zu meinem allerneusten Job und arbeitete, bis jeder normale Fahrradladen längst geschlossen hat. Am dritten Tag rief ich auf dem Heimweg die Bike-Piraten an. Wir ham noch nich ma anjefangen die Räder reinzuräumen, komm jerne vorbei, und nur keene Hetze. Das hörte ich gern.
Ich trug das verletzte Fahrrad aus dem Keller und unter reichlich Qualen dorthin, wo man es heilen würde. Meine Reparatur-Ehre widersprach kein bisschen. Im Gegenteil. Es war sehr angenehm zu sagen: Bitte, kümmert euch. Eine Wohltat, die Verantwortung abzugeben und keine Ahnung haben zu müssen. Ob ich den kaputten Schlauch mitnehmen wollte nach Hause, für eine spätere Reparatur? Nein, danke, sagte ich, ich weiß sowieso nicht, wie das geht. An dieser Stelle entschuldigte ich mich fast. Macht doch nichts, sagte der nette Pirat, dafür weißt Du andere Dinge. Genau. Ich weiß alle möglichen Dinge. Zum Beispiel, wer mir hilft, wenn was kaputt geht.
Der Pirat sagte: Wenn Du noch was einkaufen musst, mach das doch jetzt, danach sind wir hier fertig. Arbeitsteilung de luxe. Obwohl es fast noch besser gewesen wäre, wenn auch noch jemand für mich in den Supermarkt gegangen wäre. Dann hätte ich einfach ein bisschen vor dem Fahrradladen auf der Bank sitzen können. Friedlich und gemütlich. Sicher hätte ich festgestellt, dass tatsächlich mehr Frauen ihre Fahrräder vorbei bringen als Männer. Aber die Zeit, in der das meine weibliche Reparatur-Ehre geweckt hätte, ist seit etwa 20 Jahren passé. Manche Dinge …, ach, sollen sie doch so sein, wie sie sind.
Als ich den Einkauf erledigt hatte, bekam ich nicht nur mein Fahrrad heile wieder, sondern auch noch eine Flasche gekühltes Bier aus dem Piraten-Kühlschrank geschenkt. Dazu ein paar freundliche Worte, möglicherweise war noch ein gelungener Scherz dabei. Ich fuhr nach Hause, setzte mich mit dem Bier auf den Balkon und war’s zufrieden.
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