Hurra for 17. Mai!

Avatar von Frl. Grankvist

Nie war Norwegen so nah. Nach 40 Minuten in drei verschiedenen U-Bahnen biege ich um die Ecke in die Landhausstraße in Wilmersdorf – und bin da. Gerade rechtzeitig zum Festtagsumzug der Kinder. Die Menschen strömen aus dem Garten der Sjømannskirke, schwenken ihre rot-weiß-blauen Flaggen und stellen sich auf dem Bürgersteig auf, ganz, als wären sie Zuhause.

Velkommen

Was fehlt, sind schaulustige, ebenfalls festlich gestimmte Menschen am Straßenrand, und die Musikkapelle ist auch kleiner als üblich. Was nicht fehlt, sind Kinder in norwegischen Trachten und stolze Eltern, viele ebenfalls in Tracht. 17. Mai: Der Tag, an dem sich die Norweger 1814 ihre eigene Verfassung gaben. Auch in Berlin wird deswegen heute „hipp hipp, hurra!“ gerufen.

Morogdatter

Die kleine Demonstration norwegischer Lebenslust hat ordnungshalber drei Polizisten als Begleitung dabei, bestimmt ein angenehmer Einsatz. Später sehe ich die drei mitten im Festgetümmel Würstchen essen. Aber zuerst gehen sie mit der ganzen Bande um den Block. Allen voran: die Fahnenträgerin mit dem Banner der norwegischen Schule in Berlin.

Barnetoget

Wenn das König Harald sehen könnte. Der stand heute Morgen beim Kinder-Umzug in Oslo wie jedes Jahr am 17. Mai auf dem Balkon des Schlosses und sah Hunderte solcher Schulbanner und Tausende aufgeregter Kindern an sich vorbei ziehen. „Ja, wir lieben dieses Land!“ singen sie dann zusammen, Königsfamilie und Osloer Kinder, im Fernsehen übertragen. Und im Internet. Ich bin ein Fan dieser Veranstaltung. Letztes Jahr habe ich mir den Umzug komplett angesehen. Man sieht sonst selten so viele festlich gewandete und fröhliche Menschen auf einem Haufen.

 

Teile der Berliner Feier wurden ebenfalls im norwegischen Fernsehen übertragen. Das weiß ich von Merethe. Sie rief heute Morgen aus Bergen an. Gratulerer med dagen!, rief ich ihr entgegen, Herzlichen Glückwunsch. Niemand wird mir je zum 3. Oktober gratulieren, ist doch schade. Ich fang demnächst mal experimentell damit an.

Merethes großer Sohn Marius läuft dieses Jahr als Russ mit im 17.Mai-Umzug, also als Abiturient. In einem ulkigen roten Overall, den er wie alle Abiturienten schon seit Wochen trägt. Vor unendlich vielen Jahrzehnten war ich mal dabei, in Bergen. Mit einer Schleife an der Bluse. Denn ich hatte zwar keine Tracht und auch keinen stinkigen roten Anzug, aber schick machen war Pflicht. Hier, solche Schleifen, die gab’s heute auch zu kaufen:

Slöyfen

Das war aber noch längst nicht alles. Es gab Waffeln mit Marmelade, Rømmegrøt (ein Brei aus irgendeinem Milchprodukt. Sagen wir mal: Saure-Sahne-Grütze), Sahnetorte mit Marzipan, Würstchen und Krabbensalat. Das einzig Untypische war der Sekt. Mitten am Tag! Vor den Kindern! In einer Kirchengemeinde! Deutschland lässt die Norweger offenbar nachlässig im Umgang mit Alkohol werden.

Sekt

Gottesdienst, Festansprache der Botschafterin, gemeinsames Singen, Auftritte vom Kinderchor, Sackhüpfen, Tauziehen: Sie lassen sich nicht lumpen, für ihre Landsleute und deren Gäste. Einer fand’s besonders gut: Der achtjährige Elias. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Norweger. Elias erlitt quasi einen Schock, als er verstand, dass der Familienurlaub in Berlin genau in die Zeit vom 17. Mai fallen würde. Seine Mutter ist sicher, dass die Sjømannskirke ihr den Urlaub gerettet hat. Elias wollte nämlich lieber auf die Reise verzichten als auf den 17. Mai.

Da kommt er angelaufen. Ist zufrieden mit dem Fest. Und erzählt, dass er letztes Jahr einmal für den König getanzt hat. Der war nämlich zu Besuch in ihrem Dorf. Und warum weiß ich das alles? Weil ich Elias‘ kleine Schwester Hannah fotografieren wollte und ihre Mutter um Erlaubnis gebeten habe. Ich durfte.

trött


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